Aus der Neuen Klosterneuburger Zeitung vom 2. Sept. 1905:


Der neue Stiftskellersaal

Seit langer Zeit besteht in Klosterneuburg das Bedürfnis nach einem geräumigeren Versammlungslokal. als den Bewohnern bisher zur Verfügung stand. Nach vielen nutzlosen Umfragen und Bitten bei den hier in Betracht kommenden Wirten hat über wiederholtes Vorsprechen der Herren Vereinsobmänner der hochwürdigste Herr Prälat in Erkenntnis dieser Kalamität und um das Aufblühen Klosterneuburgs auch in dieser Richtung zu fördern, sich entschlossen, einen den Ortsbedürfnissen entsprechenden Saal zu bauen.

Die Herren Baumeister Brüder Schömer wurden denn auch bestimmt, dieses Werk in Angriff zu nehmen und zur Ausführung zu bringen. Diese Herren denen in der Auswahl der einzelnen Gewerbetreibenden freie Wahl gelassen wurde, haben diesen Bau nunmehr bis auf einige Kleinigkeiten vollendet und wird nach Einholung des Benützungs-Konsenses Klosterneuburg über ein Lokal mit einem Fassungsraum von ca 1000 Personen verfügen.

Es ist nun einem Übel in munifizentester Weise abgeholfen und war es nur einzig unserem ehrwürdigen Stifte möglich, dies zu bewerkstelligen, nachdem von dieser Seite, falls für Klosterneuburgs Öffentlichkeit etwas nützliches geschaffen ward, gewiß noch die Frage der Rentabilität aufgeworfen wurde. Der Saal steht nun inklusive seiner Beleuchtungsanlage fertig und jedem Klosterneuburger wird das Herz aufgehen, wenn er diesen Prachtbau, der übrigens äußerlich ganz prunklos ist in Augenschein nimmt; wir haben da ein hohes mit den neuesten Kostruktionen ventiliertes Lokal. Zentralheizung, elecktrische Beleuchtung (u.zw. verfügt der große Saal allein über 142 sechzehnkerzige Glüh-und drei Bogenlichter) nebst sonstigen Komfort. Die elektrische Anlage besorgte das Elektrizitätswerk der Gemeinde Klosterneuburg. Die Tischlerarbeiten inklusive Parketboden vollzog die Firma Pflanzer und zu einem Teil Herr Tischlermeister Hagler. Die Glaserarbeiten lieferte Herr Glasermeister Riegele. Die eiserne Dachkonstruktion wurde von der Firma Griedl in Wien bezogen, während die Ziegeldeckerarbeiten Herr Radda aus Wien ausführte.

Wir begrüßen diesen für Klosterneuburg einen großen Fortschritt bedeutenden Bau aufs freudigste und glauben der Zustimmung unserer p.t. Leser gewiß zu sein, wenn wir hierbei des hochwürdigsten Herrn Prälaten und des hochwürdigsten Stifts Kapitels in dankbarer Weise gedenken.




Aus der Neuen Klosterneuburger Zeitung vom 14. Oktober 1905:


Eröffnung des neuen Saales der Stiftsrestauration

Am 30. September 1905 fand die Eröffnung des neuen Stiftskellersaales statt, welcher sein Dasein nur der Munifizens des hiesigen Chorherrenstiftes verdankt und wodurch einem langempfundenen Bedürfnisse abgeholfen ist.

Es ist ein herrliches Lokal mit ausgezeichneter Akustik und Ventilation. Die Feier der Eröffnung wurde durch ein großes Konzert der Musikkapelle des k. u. k. bosnischen Infantrieregimentes Nr. 1 unter der persönlichen Leitung ihres Kapellmeisters Herrn Bem eingeleitet. Obwohl der Beginn des Konzertes um halb 8 Abends angesetzt war, füllte sich der Saal doch bedeutend früher und schon um 7 Uhr war es schwer einen Platz zu erobern. Beim Empfang der Gäste war der Saal nur schwach beleuchtet, als aber die Musik mit den ersten Takten eines flotten Marsches einsetzte, wurden sämtliche Luster mit Bogen- und Glühlichtern eingeschaltet und alles staunte über die feenhafte Beleuchtung.

Zur Eröffnungsfeier waren sehr viele illustre Persönlichkeiten erschienen so; k. k. Bezirkshauptmann aus Tulln Graf Steinach samt Gemahlin, Bürgermeister Hofkirchner, Landesamtsdirektor Doktor Misera, Landtagsabgeordneter Hölzl, Gymnasialdirektor Blumauer an der Spitze des Beamtenvereines, mehrere Gemeinderäte etc. etc.Vom Militär sah man den k. u. k. Oberst v. Baumruck mit sämtlichen dienstfreien Offizieren des k. u. k. Train-Zeugsdepots, mehrere k. u. k. Pionier-Offiziere mit ihren dem 6. Pionier-Bataillon zugeteilten in und ausländischen Kollegen. Das Chorherrnstift war vertreten durch die hochwürdigen Herrn: Kämmerer Norbert Süß, Kellermeister Wilibald Dimi, Schatzmeister Ernest Kehrer, die Professoren Ildephons Basler, Wolfgang Pauker, Vinzenz Ludwig, Ferdinant Schönsteiner, die Chorherren Augustin Peiskar, Bertram Betraschek, Eduard Mitschke, Berthold Czernik und Ignaz Kranich.Man schätzte die Zahl der Anwesenden auf über 600 Personen. Die Musik leistete Ausgezeichnetes; auch die Küche des bekannten Restaurateurs Hiegl wie nicht minder der Stiftliche Keller boten ihr Bestes und so war es nicht zu verwundern, daß die Stimmung allseits die animierteste gewesen und die meisten den neueröffneten Saal erst früh morgens verließen.

Schon tags darauf, d.h. Sonntag, den 1. d. M., war der neue Saal von Wiener Ausflüglern überfüllt und hat nun Klosterneuburg einen Anziehungspunkt mehr für Fremde und Einheimische. Bei dieser Gelegenheit sei uns die Bemerkung gestattet, daß sich die aus allen Parteien und Konfessionen zusammengesetzte Gesellschaft an diesem Abende allseits ganz wohl fühlte und daß uns unwillkürlich die Frage beschäftigte, ob es vielleicht diesem neuen Versammlungsort vorbehalten ist, endlich eine Einigung unter den Parteien herbeizuführen, denn wahrlich nur zum wirtschaftlichen Wohle unserer Stadtbewohner könnte es gereichen, wenn nutzloser Zank und Hader einmal verschwinden und wenn einige Hitzköpfe und Heißsporne zur Besonnenheit kommen würden. Damit wollen wir eben durchaus nicht gemeint haben, daß einer oder der andere seine politische Anschauung ändern oder gar ausgeben mag.