Bedeutende Klosterneuburger

Hans Ledwinka
Pionier des Automobilbaus


Hans Ledwinka kam am 14. Februar 1878 in Klosterneuburg als fünftes Kind von Anton und Leopoldine Ledwinka zur Welt. Der ausschließlich Deutsch sprechende Vater war aus dem mährischen Ort Pirnitz bei Iglau (Jihlava) nach Dobersberg im Waldviertel gekommen, wo er auch Leopoldine Weissmann kennenlernte, die er dann in Klosterneuburg heiratete. Der Name "Ledwinka" stammt aus dem Tschechischen, wo "ledvina" die "Niere" bedeutet und die Verkleinerungsform"ledvinka" durchaus Wienerisch mit "Nierndl" übersetzt werden kann.
Portrait
Hans Ledwinka,Portrait
Familiengrab
Familiengrab, Friedhof
Klbg. Obere Stadt

Vater Anton Ledwinka war Kantineur in der (alten) Pionierkaserne in der Markgasse und konnte mit diesem Beruf seine Famile mit acht Kindern (sechs Buben, zwei Mädchen) eigentlich recht gut versorgen. Auch zwei seiner Söhne waren in der Gastronomie tätig. Heinrich (1880 - 1911) und Friedrich (1875 - 1910) waren Pächter des seinerzeit renommierten Lokals Herzogshut auf dem Rathausplatz in Klosterneuburg Es stellte sich allerdings im Laufe der Erziehung bald heraus heraus, dass der gastronomische Bereich nicht wirklich den Neigungen des jungen Hans Ledwinka entsprach, sondern dass dessen Vorlieben eher auf handwerklichem Gebiet zu finden waren. Unter diesen Umständen erschien es Vater Anton sinnvoll, seinem kinderlosen Schwager, Johann Zwieauer, der eine gutgehende Schlosserei im 15. Wiener Gemeindebezirk besaß, mit der Ausbildung seines Sohnes Hans, im Besonderen aber mit dessen beruflicher Entwicklung zu betrauen.


So besuchte Hans von 1884 bis 1889 die Volksschule der Schulbrüder in Wien, Fünfhaus und dann für drei Jahre die Bürgerschule. Von 1892 bis 1895 erlernte er daraufhin bei Johann Zwieauer das Schlosserhandwerk. Hier eignete er sich sein umfassendes Verständnis für metallische Werkstoffe an. Nach abgeschlossener Lehrzeit besuchte er zur Weiterbildung die Werkmeisterschule der Staatsgewerbeschule im 10. Bezirk in Wien.

Die berufliche Laufbahn

1897 bis 1902
Nesselsdorf (Kopřivnice) - Mitarbeit beim Automobilbau

Koprivnice Wappen
Das Stadtwappen von
Kopřivnice (Nesselsdorf)
Praesident Fahrt
Der "Präsident" fährt nach Wien 1898

Der Direktor Hugo Fischer von Röslerstamm holte den jungen Ledwinka 1897 von der Wr. Staatsgewerbeschule weg direkt in die Nesselsdorfer Wagenbaufabrik, wo dieser auch am 1. September desselben Jahres eintrat. Vorgesehen war er als Konstrukteur für den Bau von Eisenbahnwaggons, er meldete sich jedoch spontan zur Mitarbeit an dem ersten Automobil, das die Firma damals baute und das den Namen "Präsident" erhielt. Der "Präsident" erinnerte in seinem Erscheinungsbild noch sehr an eine Kutsche und war auf Veranlassung von Direktor Fischer mit einem 5-PS-Zweizylinder-Kontramotor der Benz-Werke in Mannheim ausgestattet, besorgt vom befreundeten Textilfabrikanten und Automobilsportler Theodor Freiherr von Liebig aus Reichenberg (Liberec).


Nachdem der "Präsident" erfolgreich war, baute die Firma noch zehn weitere Automobile, deren Motoren jedoch nicht mehr in Mannheim gekauft sondern aus Einzelteilen zusammengebaut wurden, die die Firma Hardy in Wien fertigte. Bei diesen Wagen fand allerdings anders als beim "Präsidenten" die Übertragung vom Motor zum Vorgelege nicht über Riemen sondern über Blockketten statt. Ausserdem
Rennwage 1901
Rennwagen Modell 1901
war ein Vierganggetriebe eingebaut und sie besaßen als große Neuerung Luftreifen. Da das Getriebe jedoch versagte, sandte Direktor Fischer Hans Ledwinka zu Herrn von Dormus, dem Leiter der Lokomotivwerkstätte der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn in Floridsdorf, unter dessen Leitung der junge Ledwinka den Antrieb des Getriebes so umkonstruierte, dass die zehn Wagen fertiggebaut werden konnten. Diese Wagen erhielten Namen wie "Nesselsdorf", "Netrans", "Wien", "Bergsteiger" etc. Mit einigen dieser Modelle nahm Baron Theodor von Liebig an diversen Wettfahrten im In- und Ausland teil und errang immer wieder Preise. Liebig erkannte jedoch durch seine Rennerfahrungen die Nachteile des Kutschenfahrzeugtyps. Auf Basis dieser Erfahrungen schuf Hans Ledwinka innerhalb von nur fünf Wochen dann ein eigenes Rennfahrzeug. Der Nesselsdorfer Rennwagen war durch einen Benz-Viertakt-Zweizylinder-Boxermotor mit drei Ventilen je Zylinder ausgestattet und leistete 12 PS bei 13.000 U/min. Der gesamte Rennwagen wog inklusive Ausrüstung 970 kg. Er befindet sich heute im Technischen Nationalmuseum in Prag.

In Nesselsdorf wurden von 1900 bis 1905 die Typen A, B und C mit 8 PS, 12 PS und 24 PS entwickelt. An der Entwicklung des letzten Typs nahm Hans Ledwinka jedoch nicht mehr teil. Er hatte 1901 Maria Fabig aus Neutitschein (Novy Jicin) geheiratet und war mit Frau und Sohn Fritz in seine Geburtsstadt Klosterneuburg "heimgekehrt", um als Konstrukteur für die Firma Alexander Friedmann in Wien zu arbeiten.


1902 bis 1905
Alexander Friedmann, Maschinenfabrik, Wien - Das Dampfautomobil

Auch Meinungsdifferenzen mit dem leitenden Meister des Nesselsdorfer Automobilbaues, Obermeister Leopold Svitak hatten dazu beigetragen, dass Ledwinka der Wechsel am 1. September 1902 zur Firma Alexander Friedmann, einer alten Armaturenfabrik in Wien, ziemlich leicht gefallen war. Hier sollte er an der Entwicklung und dem Bau eines Dampfmotorwagens nach Plänen des Ingenieurs Richard Knoller mitarbeiten.

Knoller hatte den Wagen mit Vorderradbremsen ausgestattet, was 1904 eine Pionierleistung darstellte, aber damals noch unbefriedigende Resultate lieferte, da der Wagen beim Bremsen
Dampfwagen
Friedmann'scher Dampfwagen, Wien 1904
in der Kurve geradeaus weiterfuhr. Es stellte sich heraus, dass für dieses Fehlverhalten nicht die Art der Bremsen sondern deren Blockieren verantwortlich war. Ledwinka zog aus diesen Erfahrungen Kenntnisse, die er dann später bei der Entwicklung vön Vierradbremsen bei seinen eigenen Fahrzeugkonstruktionen anwenden konnte.

Am 15. Juli 1904 wurde auch der zweite Sohn Hans Ledwinkas, Erich, in Klosterneuburg geboren. Er sollte später die Vorlieben und Ambitionen seines Vater voll übernehmen und ein begnadeter Autokonstrukteur werden.

Nun war der Friedmann'sche Dampfwagen zwar eine interessante Entwicklung, die unter anderem auch in Paris von der Firma Weyher und Richmond betrieben wurde. Ledwinka kam daher auch für einige Monate in die französischen Hauptstadt, aber es zeigte sich damals schon der allgemeine Trend zum Benzinmotor und, dass sich letztlich der Dampfwagen nicht durchsetzen würde. Als dann von Direktor Fischer von Röslerstamm ein Angebot zur Wiedereinstellung und zwar als Leiter des Automobilbaus kam, ging Hans Ledwinka am 1. Dezember 1905 wieder nach Nesselsdorf.

Er fand dort folgende Situation vor: Kronfeld und Lang, zwei ältere Ingenieure, nach neuen Prinzipien je ein Rahmen-Chassis mit vorne stehendem Vierzylindermotor gebaut, ausserdem war eine Serie von 10 Grubenlokomotiven mit Zweizylinder-Boxermotoren aufgelegt worden (Erklärung: Nesselsdorf befindet sich nahe dem Mährisch-Ostrauer Steinkohlerevier). Die Hoffnungen, die die Generaldirektion in diese Neuentwicklungen gesetzt hatte, gingen allerdings nicht auf. Die Konstruktionen waren Fehlschläge - die Konstrukteure schieden aus der Firma aus. Das war die Lage, in der sich die "Automobilbau-Abteilung" in Nesselsdorf befand, als sie Hans Ledwinka übernahm. Ihr Leiter Obermeister Leopold Svitak ging zur selben Zeit in Pension.


1905 bis 1916
Leitung der Automobilabteilung der Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriks-Gesellschaft

Die erste Aufgabe für Hans Ledwinka in seinem neuen Arbeitsfeld war die Korrektur der Lang- und Kronfeld-Typen zur Fabrikation. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese Typen dazu einfach
Typ S 4
Nesselsdorfer Typ S 4, 1906
nicht geeignet waren, was eigentlich die Einstellung des Automobilbaus für Nesselsdorf verlangt hätte. Um diese fatale Folge auf jeden Fall zu verhindern, warf sich Ledwinka 1906 mit voller Kraft und all seinem Wissen auf die Konstruktion eines völlig neuen Automobils auf dem letzen Stand der zeitgenössischen Technik.

Es wurde die "Type S", ein 30 PS Vierzylinder mit paarweise gegossenen Zylindern, von oben gesteuerten Ventilen mit halbkugeligen Verbrennungsräumen. die in einem Winkel von 90 Grad schräg zueinender standen, entwickelt. Diesem revolutionären, weit über seine Zeit hinausgehenden Konzept gelang es schließlich den angeschlagenen Ruf der Nesselsdorfer Automobile nachhaltig zu festigen. Aber es war nicht nur das neue Motorkonzept, es war die Gesamtheit aller konstruktiven Merkmale dieses Fahrzeugs - die Anordnung der Königswelle mit ihrem Schraubenräderantrieb, die Druck-Umlaufschmierung, Kugellagerung der Kurbelwelle etc., die die Gebrauchsmotorkonstruktionen seiner Zeit weit hinter sich ließ.

Typ S 6
Nesselsdorfer Typ S 6, 1915

Mit dem 4-Zylinder Typ "S" und dessen Weiterentwicklung dem Typ "T" hatte Ledwinka für die damalige Zeit richtungsweisende Konstruktionen herausgebracht, die international große Bedeutung fanden. Der Typ "T" unterschied sich vom vorangegangenen "S"-Typ dadurch, daß die 4-Zylinder zusammen in einem Block gegossen waren. Das war möglich, weil in Nesselsdorf eine eigene leistungsfähige Gießerei eingerichtet worden war.

Inzwischen waren im Automobilbau schon 6-Zylinder-Motoren aufgetaucht. Ledwinka hatte jedoch insofern konstruktiv vorauskalkuliert, als der S-Motor durch Hinzufügen eines weiteren Zylinderpaares zu einem 6-Zylinder ausgebaut werden konnte. Der Nachfolger dieses 1910 auf den Markt gekommenen 6-Zylinder-Typs "U 40/50", nämlich der 6-Zylinder "U20/65" hatte alle 6-Zylinder in einem Block vereinigt und wurde bereits 1914/15 serienmäßig mit Vierradbremsen ausgestattet.Mit den "S" und "T" Typen wurden auch Lastwagen ausgestattet (allerdings mit anderer Hinterachsübersetzung) und bewährten sich ausgezeichnet.

Im 1. Weltkrieg stieg die Autofabrikation derartig an, dass der Verwaltungsrat das Kapital für eine neue Fabrikshalle für den Automobilbau bewilligte, die Ledwinka schon dringend erwartet hatte. Der neue Generaldirektor Erhard Köbel (der dem 1912 pensionierten Fischer von Röslerstamm gefolgt war) ließ jedoch von diesem Geld eine ganz andere Halle, nämlich eine für den Waggonbau errichten. Das verstimmte Ledwinka derart, daß er im Mai 1916 ein Angebot der Steyr-Werke in Oberösterreich als Chefkonstrukteur in die dort neu zu errichtende Automobilfabrik zu kommen umgehend annahm.


1917 bis 1921
Chefkonstrukteur der neuerrichteten Automobilfabrik
der Österreichischen Waffenfabriks Gesellschaft in Steyr

Firmenzeichen
Das alte Firmenzeichen
Werksbau
Der Bau des neuen Steyr-Werkes 1916
Im Hinblick auf den immens anwachsenden Bedarf des Heeres an Kraftfahrzeugen im 1. Weltkrieg kam bereits 1915/16 die Idee zur Errichtung einer Automobilfabrik in Steyr auf. Realisiert wurde das Projekt dann unter dem Präsidenten der Österr. Waffenfabriks-AG. Dr. techn. et mont. h.c. Georg Günther
im Jahr 1916 mit dem Baubeginn des Werkes in Steyr. Das k. u. k. Technische Miltärkomitee schlug Hans Ledwinka als leitenden Konstrukteur vor. Dieser konnte allerdings mangels eines Nachfolgers in Nesselsdorf erst 1917 mit seiner Frau und den Söhnen Fritz und Erich, die inzwischen beide die Realschule besuchten, nach Steyr übersiedeln.
Im Jahre 1920 kam das neue österreichische "Waffenauto" heraus, ein gediegener Personenkraftwagen, dessen kriegerischer Name nur vom Respekt vor der alten, traditionsreichen Waffenfabrik herrührte. Dieses erste, sehr elegante Auto der Fabrik hieß mit "zivilem Namen" "Typ II", war nach den neuesten Ideen von Ledwinka mit einem 3,3 l - Sechszylindermotor ausgestattet und sein markantes Aussehen mit Spitzkühler und Steyr-Firmenzeichen wurde sehr bald nicht nur auf Österreichs Straßen überaus populär. Nachfolgend wurden
Steyr Typ II
Das Waffenauto, Typ II, 1920
Werksbau
Typ IV, 7/23 PS Vierzylinder, 1921
bis 1925 noch die Typen "V und VII" gebaut, die alle ziemlich ähnlich aussahen. 1921 wurde probeweise "Typ IV", ein kleiner Personenwagen mit unten gesteuertem Vierzylindermotor und Glockengetriebe gebaut, der aber nicht in Serie ging. Mit dem Sechszylinder-Motor des Personenwagens und dessen konstruktiven Merkmalen wurden nun in Steyr auch Schnelllastwagen für 2,5 t Nutzlast gebaut, die den Anfang einer für Österreichs Wirtschaft wichtigen Lastwagenproduktion bildeten.

Während der Zeit Ledwinkas als Chefkonstrukteur in Steyr war Generaldirektor Köbl in Nesselsdorf verstorben, und sein Nachfolger Leopold Pasching wollte Ledwinka für Nesselsdorf zurückgewinnen. Ledwinka seinerseits war auf Grund von Unstimmigkeiten mit der Leitung in Steyr nicht abgeneigt, seinen (erweiterten) Bereich in Nesselsdorf - das inzwischen "Ausland" geworden war - , wieder zu übernehmen.

Nach einem Armbruch bei einem Unfall bei einer Probefahrt in Steyr musste Ledwinka für etliche Tage ins Spital. Während dieser erzwungenen Ruhezeit entwickelte er ein völlig neues, für den konventionellen Automobilbau revolutionäres Konzept: den rahmenlosen leichten Wagen mit Zentralrohrträger, luftgekühltem Boxermotor und gelenklosem Schwingachsenantrieb. . . Eigentlich wollte Ledwinka diesen Wagen noch in Steyr bauen, aber nach sorfältiger Prüfung der Nesselsdorfer Gegebenheiten (wie z.B. zweisprachige Belegschaft) nahm er das Angebot aus Mähren an und ging Ende 1921 zum dritten Mal in das vertraute Werk zurück - jetzt als Chefkonstrukteur und technischer Direktor.


1921 bis 1945
Chefkonstrukteur der Nesselsdorfer Automobilfabrik den späteren Tatra-Werken

Nesselsdorf lag nun in der CSSR und hieß Kopřivnice. Die Firma selbst war bis auf eine neue 15.000 qm Autohalle gleich geblieben. Ca. 3.000 Mann Belegschaft waren da, von denen rund 3/4 tschechisch sprachen. Man kam damit zurecht, indem alle Zeichnungen zweisprachig beschriftet wurden. Es waren zwar mehrere Halbfabrikate aufzuarbeiten, aber in der Hauptsache wurden der Bau des neuen Wagentyps mit Zentralrohrfahrgestell in Angriff genommen.

Ledwinkas Überlegungen waren dabei folgende: Der große Krieg hatte eine Verarmung der Abnehmerländer zur Folge, so dass hohe Absatzzahlen für große Personenwagen nicht
Tatra 11
Zweizylinder, 12/14 PS,
Tatra Typ 11, 1923
Typ11 Fahrgestell
Revolutionäres Fahrgestell
des Typs 11
erwartet werden konnten. Dazu war der Straßenzustand auch noch äusserst schlecht. Die Neukonstruktion musste also so beschaffen sein, dass ein Laie das Fahrzeug selbst betreuen und auch kleinere Reparaturen selbstständig durchführen konnte. Es waren ja weder in den Städten noch auf dem Land entsprechende Werkstätten vorhanden. Das Auto sollte einfach, sparsam, billig und langlebig sein. Aus diesen Überlegungen heraus entstand der Zweizylinder - Tatra "Typ 11", der 1923 herauskam. Generaldirektor Ledwinka fuhr den Wagen selbst kreuz und quer durch die Alpen und er hielt sich ausgezeichnet. In sieben Jahre wurden 25.000 Exemplare gebaut. Die Tschechen bezeichneten den Wagen scherzhaft als "Tatritschek", die Wiener nannten ihn "Blechdackel". Manche Exemplare fuhren 1.000.000 km.

1923 hatte (als Überlebensstrategie im neuen politisch-wirtschaftlichen Umfeld) eine Fusion der "Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriks-Gesellschaft" mit der "Ringhoffer AG" in Prag-Smichov stattgefunden. Als Name für die neue Firma mit Generaldirektion in Prag hatte man Tatra gewählt, nach dem höchsten Gebirge des Landes.

Den kleinen Zweizylindern folgten im letzten Drittel der 20er-Jahre Typen mit 4-Zylinder Boxermotoren nach, die im Wesentlichen auf den selben Konstruktionsprinzipien beruhten. Bekannt wurden die Tatra-Typen "30", "52" und "72", letzterer mit geländegängigem 6-Rad-Fahrgestell.

Mitten in dieser intensiven Schaffensperiode traf Hans Ledwinka ein schwerer Schicksalsschlag. Ungefähr 2 Jahre nach der Ankunft aus Steyr war seine Frau schwer erkrankt, und ihr Zustand hatte sich nicht mehr gebessert. Maria Ledwinka starb am 25. Juli 1926 in Nesselsdorf. Danach war Ledwinka sehr einsam. Fritz und Erich, die Söhne, waren noch in ihrer beruflichen Ausbildung begriffen und kamen nur manchmal am Wochenende nach Hause. Schließlich setzte sich jedoch Ledwinkas Naturell durch und drängte ihn noch stärker in seine Arbeit hinein.

T 57 Prototyp
Tatra Typ 57, Prototyp
Um 1929/30 gewann der allgemeine Gebrauchswagen in Folge der damaligen Wirtschaftskrise erneut an Bedeutung. Ledwinka entwickelte daher ab 1930 wieder einen kleinen 4-Zylinder-Wagen mit 1,6 l Boxermotor, der im März 1932 als Tatra Typ "57" herauskam. Nach 3 Monaten war dieser Wagen bereits in einer Tausender-Serie verkauft. Seine Absatzzahlen übertrafen die des 2-Zylinders noch erheblich. Es folgten weitere Modelle mit 1,23 l- und 1,69 l-Motoren. Ledwinkas unermüdlicher Erfindergeist beschäftigte sich bereits mit einem völlig neuen Konzept: Der luftgekühlte Motor sollte nicht vorne sonder hinten montiert sein, um den Fahrgastraum zu vergrößern, den Geräuschpegel dort zu senken und schließlich auch lange Übertragungswellen zum hinteren Pendelachsantrieb zu vermeiden. Dieses Konzept ging wegen der Auslastung durch den überaus begehrten Typ 57 nicht in die Fabrikation, wurde aber dann bei den Tatra-Heckmotor-Stromlinienmodellen "77" und "87" schlussendlich doch verwirklicht.

Tatra Stromlinientypen

Tatra 77 Front
Tatra Typ 77 Front
Tatra 77
Tatra Typ 77, 5. März 1934
Tatra 87
Tat. T 87, Nov. 1937
Tatra 87 hinten
Tatra Typ 87 hinten

Die neuen Wagen waren eine ausgesprochene Sensation ihrer Zeit. Im Jahr 1935 wurden die Tatra-Werke nach der nun erfolgten Vollfusion mit dem Ringhofferschen Waggonfabriken-Konzern in Ringhoffer-Tatra-Werke umbenannt und mit den Stromlinienwagen hatte die Firma eine ähnliche Erfolgsschöpfung Ledwinkas in der Hand wie 1923, als der kleine Zweizylinder vom "Typ 11" den Namen "Tatra" in die Welt trug.


Ledwinkas Nutzfahrzeuge

Tatra 13
Tatra Typ 13, 1923/24
Tatra 23
Tatra Typ 23, 1925
Tatra 24
Tatra Typ 24, 1925

Urkunde
Urkunde "Dr. techn. hc."

Dem Lastwagenbau räumte Ledwinka immer große Wichtigkeit ein. Nach der Konstruktion des rahmenlosen Zweizylinder-Tatra-Wagens und dem Vorliegen entsprechender Erfahrungen übertrug er das Prinzip des Zentralrohres mit angetriebenen, gelenklosen Pendelachsen nun auch auf den Bau von Nutzfahrzeugen. Eine lange Serie von Lastkraftwagen, beginnend mit dem Eintonnenmodell "Typ 13", das direkt vom Zweizylinder-Personenkraftwagen abgeleitet war, bis zum 10-Tonner mit luftgekühltem 210 PS, 12 Zylinder Dieselmotor wurden nun verwirklicht. Alle diese Fahrzeuge trugen die Grundmerkmale der Tatra-Bauweise: das verwindungssteife Zentralrohr-Fahrgestell mit schwingenden Halbachsen und luftgekühlten Dieselmotoren.

Nesselsdorf war 1938 Sudetenland geworden. Die Ringhoffer-Tatra-Werke wurden in den Großdeutschen Wirtschaftsraum eingegliedert, und ihre Produktion unter neuen Aspekten teilweise umgestellt. Die Belegschaft umfasste nun über 5.500 Mann. Direktor Ledwinka konnte seinen Sohn, Dipl.-Ing. Erich Ledwinka als äußerst fähigen und tatkräftigen Mitarbeiter im Betrieb einstellen.

Die Technische Hochschule in Wien verlieh  dem langjährigen technischen Direktor der Ringhoffer-Tatra-Werke Hans Ledwinka am 16. Juni 1944 in Würdigung seiner hervorragenden Verdienste um die Automobilentwicklung den akademischen Grad eines "Doktors der technischen Wissenschaften honoris causa".
Hinweis zum Urkundentext: Der Titel "Wehrwirtschaftsführer" war eine reine Funktionsbezeichnung und war mit KEINER Parteizugehörigkeit verbunden.

Leider geriet Hans Ledwinka, wie mehrere andere Menschen in dieser Zeit in Böhmen und Mähren zwischen die Mühlsteine des Tschechischen und des Deutschen Nationalismus, was ihn an seinem Lebensabend ungerechterweise um die wohlverdiente Würde und Ruhe brachte.

1945 bis 1967
Haft im kommunistischen System und Ruhestand

Das Amtsblatt der Stadtgemeinde Klosterneuburg beschreibt in seiner Kulturbeilage vom Oktober/November 1978 diesen Lebensabschnitt Hans Ledwinkas sehr eindrucksvoll:

...Da kam der Zusammenbruch des Jahres 1945. Ledwinka blieb zunächst in der CSSR, obwohl man ihm nahelegte, mit dem nächsten Österreichtransport in die Heimat zurückzukehren. Das lehnte er ab mit der Begründung ".... das würde wie eine Flucht oder ein böses Gewissen aussehen...". Er wurde aber doch verhaftet, vor

Triumvirat
Autogrößen: Hans und Erich Ledwinka, Felix Wankel

ein Gericht gestellt und in einem der üblichen Schauprozesse, obwohl man ihm nur Lappalien vorwerfen konnte, zu sechs Jahren Haft verurteilt, die er an verschiedenen Orten, zuletzt in Nikolsburg (Mikulov) abbüßen mußte. Von hier brachte ihn nach dem Verlust seines Vermögens und seiner Habseligkeiten ein Wagen der Österreichischen Gesandtschaft in die Heimat.  In der CSSR aber baute man weiter Autos nach seinen Plänen. Jahre später, anläßlich eies Werksjubiläums,  lud man ihn als eine Art Wiedergutmachung nach Nesselsdorf ein.

Ledwinka blieb aber weder in Wien noch in Steyr, wo sein Sohn Erich wirkte, sondern ging als Konsulent verschiedener Autowerke nach München, Immer noch erfüllt von neuen Plänen und Vorhaben. Hier verbrachte er seinen Lebensabend umsorgt von seiner zweiten Gattin, die wie seine erste Frau aus Neutitschein stammte (Anm. des Verf.: Ledwinka heiratete Ludwiga Kopka 1953, die Tochter eines ihm von früher bekannten Industriellen, am 24. Februar 1953).

Zahlreiche Ehrungen wurden ihm zuteil, so 1961 "Das Österreichische Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft 1. Klasse" durch den Österreichischen Bundespräsidenten Adolf Schärf, kurz darauf die "Diesel-Medaille in Gold.", 1965 erhielt er das "Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der BRD" und das "Ehrenzeichen des VDI" (Verein Deutscher Ingenieure)...., um nur einige zu nennen.
Noch 1967, kurz vor seinem Tode, kam der 89-Jährige einem Besucher ...."strahlend und energiegeladen im Stiegenhaus entgegen, führte ihn zu einer mehr als 4-stündigen regen Unterhaltung in sein Arbeitszimmer".... Am 2. März 1967 überraschte ihn der Tod. In Pullach bei München wurde er zur letzten Ruhe bestattet.



Todesanzeige
Todesanzeige aus der Tageszeitung "Die Presse"
1992 erfolgte die vollständige Rehabilitierung durch das Oberste Gericht der CSFR
Portrait
Portrait - Foto
Widmung
Widmung an Großneffen Kurt Ledwinka

Der Name "Ledwinka" ist aber in Klosterneuburg, dem Herkunftsort des genialen Automobilkonstrukteurs und dessen Sohn Erich, auch weiterhin anzutreffen. Heute noch leben mehrere seiner Großneffen bzw. deren Kinder, in Klosterneuburg, Untere Stadt. Wie die nebenstehende Photographie mit Widmung zeigt, war auch ein persönlich verwandtschaftliches Nahverhältnis bis 1963 durchaus gegeben.


Nachtrag:

Am 5. März 2010 erreichte uns eine Mitteilung über e-mail aus Holland, verfasst von Herrn Kees Smit, Webmaster von www.tatraworld.nl, wonach Dr.-Ing. h.c. Hans Ledwinka nach Bemühungen des Schreibers im Jahr 2007 in den Ehrenkreis der European Automotive Hall of Fame in Genf aufgenommen wurde. Dem Schreiben waren untenstehende Abbildungen beigelegt. Das rechte Bild zeigt Hans Ledwinka, den Sohn von Erich Ledwinka bei der Übernahme der Ehrentafel.

Portrait
Aufnahmen 2007 in die European Automotive Hall Of Fame in Genf
Widmung
Kees Smit, Hans Ledwinka, Organisator