Nachruf auf Otto Koenig
geb. 23. 10. 1914    gest. 5. 12. 1992


Aus den Mitteilungen der Zoologischen Gesellschaft Braunau

Im Jahre 1962 besuchte die Zoologische Gesellschaft Braunau, damals noch in der Zoologischen Gesellschaft Österreich integriert, das "Institut für vergleichende Verhaltensforschung" Wilhelminenberg. Der Besuch war ein unvergeßliches Erlebnis. Gleich nach dem Eingang versuchte uns ein Nandu zu zwicken; die Kolonie der Kuhreiher fing gerade mit ihrer "Wohlstandsverwahrlosung" an und hinter der Station tummelte sich eine Herde Hirschziegenantilopen. Was Otto Koenig hier aufgebaut hatte, erregte Staunen und Bewunderung. Das war vergleichende Verhaltensforschung "zum Anfassen" - an zahmen Tieren, mit menschengeprägtem und mit ganz normalen Verhalten!

20 Jahre lang blieben die Kontakte locker, aber nie rissen sie ganz ab. Erst als Otto Koenig realisierte, daß mit den Stauseen am unteren Inn genau jene Lösungen vorliegen, die ihm bei der Behandlung der Stauseeproblematik an der Donau vorschwebten, wurde ihm unsere Gesellschaft ein Begriff und der untere Inn ein beliebtes Exkursionsziel. Die Vorträge und die Exkursionen sind vielen unserer Mitglieder in lebhafter Erinnerung. Otto Koenig zeigte sich voll sprühenden Lebens, voller Ideen und mit stets wacher Begeisterungsfähigkeit. Er wurde sogar Mitglied und regelmäßig kam er zu Besuch. Als besondere Geste seiner Verbundenheit überreichte er uns den Wilhelminenberger Silberreiher; eine Auszeichnung, über die wir uns sehr gefreut haben!

Otto Koenig war eine ganz außergewöhnliche Persönlichkeit. Der Versuch, ihn und seine Leistungen angemessen zu würdigen, würde den Rahmen sprengen, der hier geboten ist. Was sich hinter Feststellungen verbirgt, wie etwa, daß er 21 Bücher publizierte, über 100 Filme drehte, mit seiner Fernsehsendung "Rendezvous mit Tier und Mensch" weit über die Grenzen Österreichs hinaus berühmt wurde, oder daß er ein streitbarer und standfester Naturschützer war, vermittelt zu wenig von seiner Persönlichkeit und seinem Leben. Nur seine engsten Vertrauten können annähernd ermessen, was in ihm steckte. An Kritikern und Neidern hatte er keinen Mangel. "Viel Feind, viel Ehr"1 trifft auf ihn, der die vergleichende Kulturethologie begründete, in besonderem Maße zu.

Er war ein Schüler von Konrad Lorenz, jedoch ein sehr eigenwilliger. Wie Lorenz verfügte Otto Koenig über die fast seherische Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen, die den mit ihrem Kleinkram beschäftigten Wissenschaftlern verborgen blieben. Da er kein abgeschlossenes Hochschulstudium und auch keine "höheren Weihen" der Wissenschaft, wie eine Promotion, nachweisen konnte, fanden seine Gegner in seiner "Unwissenschaftlichkeit" oft genug den geeignet erscheinenden Ansatzpunkt. Kritik gerät dann schnell zur Polemik. Wo sie konstruktiv hätte sein sollen um der Sache willen, schlug sie in ihre destruktive Perversion um und wurde persönlich. Otto Koenig hat das oft durchgemacht. Doch allen Anfeindungen zum Trotz ging er seinen Weg und hatte er seinen Erfolg. Über ein Vierteljahrhundert lang war seine Fernsehsendung die Tier- und Natursendung im Österreichischen Fernsehen schlechthin. Er lebte für sie - und er machte sie gut, wirklich gut!

Was Otto Koenig damit und über seine Bücher und Vorträge an Wissen über die Natur und auch über die Natur des Menschen in die Bevölkerung getragen hat, ist gewiß mehr wert als so mancher als "bedeutend" eingestufte, wissenschaftliche Beitrag, über den dann doch die Zeit hinweggeht. Wieviele junge Menschen er zur Biologie gebracht und für die Natur begeistert hat, wird sich wohl nie ermitteln lassen. Aber sicher erging es nicht wenigen so wie uns: Mit Begeisterung .lasen wir seine Bücher und schöpften daraus Anregungen für eigene Forschungen. Mit seinem Buch "Mein Weg ins Schilf" skizzierte Otto Koenig den Weg und Werdegang eines Naturforschers, der ganz unmittelbar die Natur zum Lehrmeister nahm.

Er wurde damit vielen zum Lehrmeister. Sein Lebensweg weist manche Parallelen zur Entwicklung auf, die sein in vieler Hinsicht großes Vorbild Konrad Lorenz genommen hatte. Doch anders als dieser wurde er nicht zum Pessimisten, der den Menschen ihre 8 Todsünden vorhielt, sondern zum ungebeugten Verfechter einer positiven Haltung zur Zukunft. Der Ausbau einer ohnehin schon ausgebauten Donau war für Otto Koenig nicht das Ende; er sah darin eine Chance, der Natur wieder mehr Raum zurückzugewinnen. Konrad Lorenz war auf die Donau, so wie er sie in seiner Kindheit und Jugend erlebte, viel stärker geprägt als ihm bewußt wurde. Otto Koenig vermied die Statik einer solchen Prägung und blieb einer dynamischen Veränderung aufgeschlossen. Das isolierte ihn, der ein so überzeugter und kampfesmutiger Naturschützer war, unter den Naturschützern. Dennoch hat er mehr für die Natur erreicht als Konrad Lorenz.

Sein Tod hinterläßt einen Platz, den nur er selbst hatte einnehmen könnnen. Er wird nicht "ersetzt" werden, weil ein Individualist seiner Art nicht zu ersetzen ist. Wir betrachten es als einen Vorzug unseres Lebens, daß wir mit ihm zusammentreffen konnten!


Dr. Helgard Reichholf-Riehm
Prof. Dr. Josef H. Reichholf